Haschisch

Haschisch oder wie man Fleischerhemden an den marokkanischen Mann bringt …

 

 

die straßen werden immer länger,

mulhouse kommt in sicht,

die kraxe kracht und zieht mich

auf den straßenrand,

mein daumen wird schon rötlich

das warten hier – tödlich

da hält er an, ein lkw,

ein fahrer, den ich sogar versteh

auf geht es in den süden,

der sonne, dem meer entgegen,

die kraxe kracht nicht mehr

die jesuslatschen platschen,

klatschen gegen die beifahrertür

dann ruft die zeit, die scheibe hat schon überstunden,

nicht mehr bereit der fahrer,

weiter zu fahren

ein wort, ja, ich habe

einen lkw-führerschein

nein, das kommt gut, weiter geht’s!

autobahnen zum glück recht gerade,

denn 16 m sind nicht wenig

ein blick in den spiegel und

das ende nicht das seh ich…

so rollen wir mit den franzosen,

das baskenland schon im visier

dann wieder süden,

endlose weite im spanienlande

valencia, malaga … weiter zu fuß

der daumen eines tramps wird wieder schwer

vom warten bei juan carlos,

feind der tramper und vagabunden.

ein regisseur sieht das

filmische an der situation,

lädt mich ein, mitzukommen – nach cadiz

carneval in cadiz

nacht in einem seemannshostel

wilde kerle, wildes spanisch, wilde nacht

im getummel von cadiz, fahrschule auf spanisch

kapitel eins: einparken, parken –

bitte ohne angezogene handbremse,

rums + rums

und schon passen endlich unsere vier räder

zwischen acht vorher noch eng stehende andere:

optimale ausnutzung von raum,

schon bin ich wieder versöhnt mit juan carlos.

der nächste tag braungegerbte seemänner lachen mit mir

über die kollektiven kopfschmerzen

kaffee schmeckt nach freiheit, weite, meer

und so folge ich dem geruch des salzwassers,

komme nach gibraltar zu den affen und briten –

beide sind zum lachen, aber nicht die letzten, die lachten.

es ist bereits 10 uhr abends

und ich fasse einen entschluss,

weil der mensch ja wohl

in afrika gewesen sein muss…

haha marokko ich komme

ja heute nacht noch besteige ich

ein dunkles großes schiff

eine reise über die straße von gibraltar.

eine britin, die mich fragend mustert:

„are you sure you wanna go there at that time of the day,

        to a place you obviously don’t know”

“oh, why not, yes, I’m positive…

Marocco here I come”

stupid me aber das lachen ist der britin vorbehalten

ich besteige den dampfer,

starte die fahrt, die lange die letzte meines lebens schien.

meine kraxe kracht – in diesem moment

wie ein aufschrei

tönt es aus dem schiffsrumpf- „halt!“

ziegen, hühner, menschliche ausdünstungen flucht nach vorn,

nein, nach oben, ich lande auf dem oberdeck,

gibraltar verschwindet im abenddämmern,

vor mir das meer und irgendwo afrika:

so sicher bin ich mir nicht mehr;

was hat sie gesagt, die süße britin?

naja, schwimmen in der nacht

muss auch nicht sein.

meine kraxe will ja was erleben, ich auch…

es schwinden die zeit, das licht und der mut;

dann muss es mitternacht sein,

das warten auf die ankunft

lässt die minuten expandieren.

es weicht des nachts

dem mutigen experimentieren,

das tags die fahrt noch selig sprach

jetzt liegt sie so verwundbar brach.

meine seele auch und so können sie kommen

die träume, alpträume, nein, ich schlafe noch nicht, aber sie kommen trotzdem:

dunkle gestalten, direkt auf mich zu,

höher kann ich nicht, zurück auch nicht,

es gibt nur den einen weg, jenen, den sie kommen.

muss ich so enden? des mitternachts in internationalen gewässern

von bord gestoßen, nur weil wir dem europa,

dem geheiligten abendlande,

für einen moment entfliehen wollten –

meine kraxe und ich, ich klammere mich an sie,

stoßgebete verkümmern, schlotternde kniee,

schreien würde sich nicht lohnen auf hoher see,

allein mit 500 nichteuropäern an bord der „titanic“

mein untergang braucht keinen eisberg,

mein taschenmesser ist zu klein,

um ungefähr 10 männern paroli zu bieten,

um allein für die freiheit zu kämpfen.

schon wünsche ich mir die mauer zurück,

hinter ihr hätte ich bestenfalls

ein paar wodkaflaschen auf ex trinken müssen.

jetzt werde ich als ex-ddrler geext,

schade eigentlich, ich kralle mich an der reling fest.

blicke ins dunkle,

die gestalten haben noch etwa drei meter abstand,

meine lebenszeit rinnt aus.

gedanken an die mir lieben im fernen

leipzig, weimar und eisenach.

abschied auf marokkanisch, da hätte ich wenigstens noch schnell eine geraucht,

doch zeit ist ein kostbares gut und vom haschisch trennt uns nur noch das meer,

in das ich bestimmt tot geworfen werde,

ach scheibenkleister!

wo ist denn der gott, ging es dom sebastião denn auch so,

als er richtung alcazarquivir zog,

um die muslime vom christentum zu überzeugen?

sandte er auch blitzgebete gen himmel und fand dennoch seinen tod;

vermisst bis heute in jenem land, welches ich eigentlich zu erreichen hoffte?

portugal vielleicht sehe ich dich vom himmel aus?

vielleicht treffe ich dom sebastião und wir können uns austauschen über

die wege, die die geschichte gegangen wäre,

wenn der chronist nicht den schrecklichen fehler gemacht hätte,

alles zu glauben, was man ihm berichtete.

niemand ist vom pferd gefallen, dom sebastião ist wie ich vom kutter geschubst worden,

er konnte nicht schwimmen und brauchte es auch nicht,

weil eine sichel ihm im halse steckte,

als er auf dem seichten wasser der

straße von gibraltar aufschlug.

 

drei meter, zwei, ein meter

herzkranke hätten es jetzt geschafft, ich nicht, nein, sekunden können ewig dauern!

dann fallen sie

ja sie,

nicht ich

auf den boden, neigen ihre häupter gen mekka und

beten

senden ihre stoßgebete gen mekka

und ich lebe noch

hurra!

 

tanger kommt in sicht, hafen, schlange auf dem schiff, ich eile vorbei an

ziegen, hühnern, menschlichen ausdünstungen.

hinaus, meine füße berühren afrikanischen boden, er fühlt sich nicht anders an als der boden einer jeden gammeligen empfangshalle. zoll auf arabisch und bekuttete beduinen rollen mit ihren augen, nehmen meine kraxe ins visier.

ein besonders großgewachsener muslime setzt sein sonntagslächeln auf:

pension gefällig? es ist nach mitternacht. taxi gefällig? es ruft ein bett und meine glieder

haben das zittern noch nicht ganz aufgegeben. mein begleiter spricht ein putziges englisch, er spricht, verstehen tut er, naja 50 %, hier hat man das lernen von chunks/phrasen ernst genommen…

wilde fahrt in die stadt, ein paar extrarunden gedreht, denn zu fuß hätte ich wohl zwei minuten gebraucht, doch die taxifahrt musste einen anstandsabstand von ca. 2000 m zurücklegen.

falle nummer eins, aber mir ist das egal.

fallen zwei bis vier warten noch auf mich, die wären mir nicht egal,

aber zum glück weiß ich das noch nicht.

pension zur goldenen sichel, treiben in den belebten gassen tangers, nein ich brauch jetzt kein haschisch, manaña quizas.

südliches gewirr um weit nach mitternacht.

ein zimmer, doch meinen pass möchte man haben, nunja ungern, aber mein arabisch ist nicht vorhanden (außer inxala und oxala),

französisch sollte ich erst am nächsten morgen brauchen… oder schon eher?

mein begleiter weicht mir nicht von der seite,

er überzeugt mich von der wichtigkeit marokkanischen kleingelds,

welches wir in einem tabaksladen aus einer holztruhe zaubern,

wechselkurs je nach tageszeit und laune und dem gegenüber (nehme ich an),

ich wechsle 20 DM (10 €) und freue mich über die vielen bunten papierchen.

wieder pension; es muss gegen 1 uhr sein. mein begleiter will doch wohl nicht

auf der recht großen matratze an meiner seite schnarchen?

er könne jetzt gehen, ich wolle nun schlafen, es versuchen jedenfalls. ah, belohnung – ich habe noch „nimm zwei“ und mache einen scherz, weil ich ihm zwei davon geben wollte.

sein lächeln gefriert und mir wird es kalt in afrika.

ich reiche ihm eine zigarette, er rauche nicht, so ein pech,

muss ich wohl ein paar der bunten papierchen opfern,

die will er auch nicht, auch nicht nach dem bonbonprinzip: nimm zwei,

er weiß, wie DM aussehen, so ein scheibenkleister,

ich bin müde, meine geldreserven (zum glück) sind knapp und so wird es eine relativ teure übernachtung, gute nacht und tschüß!

120 marokkanische minuten lausche ich an der matratze, kakalaken schreien leise, träume aus tausend und einer nacht, ali baba sah aus wie mein beduinischer schatten, der keine „nimm zwei“ mag. meine träume liefern eher europäische bilder, die britin winkt gibraltisch,

meine seemänner rufen mich zurück nach cadiz und plötzlich ein dröhnendes donnern,

erst wie von fern, nein! an meiner tür.

nicht schon wieder, mein ali baba ohne die vierzig räuber aber mindestens so laut.

„big problem, you must go prison“, oh wie nett, ob er vielleicht ein bordell meint?

nein -jailhouse, bastille, ich glaube, er meint wirklich das gefängnis.

hey warum, haschisch hab ich keins gekauft (noch nicht), die schergen der stasi suchen mich nicht mehr, schon gar nicht in tanger.

1992 wer will was wann wo warum von mir?

ali baba zieht mich schlaftrunken zu dem verlies, welches als rezeption durchgehen sollte.

ein aufgebrachter hotelangestellter deutet auf meinen pass. ich sei illegal im lande, kein eingangsstempel marokkos, nur ein britscher stempel, dessen spuren sich auf der straße von gibraltar verloren zusammen mit meinem betenden nachtbesuch

auf dem oberdeck des ziegenschiffs. polizei, zoll, drama um drei und ich will zurück zu meinen kakalaken, die am laken nagen.

brüllen durch die nacht, geld könne mich retten,

dacht ich mir schon, dass ich alle „nimm zwei“ alleine essen müsse.

geldreserven knapp – zum glück wieder einmal. das glaubt man mir nicht,

reicher europäer, deutscher muss doch geld haben, noch ein brüller. ich sage, dass man sich ja auch ein marokkanisches gefängnis mal von innen anschauen kann bis mich der deutsche botschafter persönlich befreie… wie naiv, egal keine „nimm zwei“ und keine 200 DM unglückverhinderungsgebühr, ich bleibe hart, auch weil ich keine 200 DM habe…

zurück in meine suite, ich falle aufs bett und verfluche die stunde, in der mich meine abenteuerlust auf dieses boot geführt hatte.

ruhig bleiben, durchatmen, ich hatte wirklich keinen eingangsstempel,

die hotel-und taximafia aber wusste, was sie tat und ich hätte mich zwar gerne in einen rausch geraucht, aber zum glück hatte ich keinen zweiten gefängnisgrund geliefert, so schließe ich die augen und meditiere mich zurück aufs spanisch-britische festland, wo meine britin hämisch mit den affen lacht, die lustig an den felsen kleben und jedem deutschen viel spaß in tanger wünschen. ich lerne jetzt affisch und habe schon einen imperativ gelernt: „tangier, tangier, tangier hui no hu no!“, was soviel heißt wie: „bleibe fern dem fernen tanger!“ damals kannte ich noch kein affisch, heute nützt es mir sehr oft – affenladen!

dacht ich mir so, als die nacht vorbei und ein samstag auf mich wartete,

das heißt, es war dieses mal wieder

ali baba in dschellaba.

er schaute auf meine uhr. er wusste, ich habe kein geld mehr in meinem portmonnaie.

noch könne ich schlimmes verhindern, er nähme auch naturalien,

er zeigt auf meine uhr, mein fleischerhemd, ich stelle mir ali baba in meinem fleischerhemd vor, ich ziehe gedanklich seinen kartoffelsack über und muss grinsen. was denn so witzig sei…? die gedanken an das gefängnis von tanger?

ich sehe nun bei tag, wie riesig die entfernung vom hafen zur pension ist.

nur gut, dass es taxis gibt. ich lache über mich und könnte heulen, denn der kartoffelsack weicht keinen schritt von mir. die stasi kommt mir in den sinn. sie hätte solche leute bestimmt gerne angestellt. wir laufen zum hafen.

auf dem weg höre ich das wort haschisch so oft,

wie es zeit war, luft zu holen, um nein zu sagen.

leute ich bin auf dem weg in euer gefängnis und da macht sich das zeug zwar gut, aber eigentlich schlecht, denn mein deutscher botschafter hat nicht die einstellung seines holländischen kollegen und hätte sich überlegt, ob er rabat verlässt, um einen durchgeknallten weimarer aus dem verlies zu holen,

der illegal im lande und mit einer tüte angetroffen worden sei…

so lehne ich ungefähr zweihundert mal ab, wir erreichen schon fast das hafengelände, ich weiß noch nicht so richtig, was mein ali baba vorhat.

nur dass der zunehmend langsamer läuft und aufgeregt scheint, mir endlich fleischerhemd und uhr abspenstig zu machen. plötzlich quietschende reifen, ein jeep bremst unsanft vor uns und wäre mir beinahe über den fuß gefahren. polizei springt heraus, zerrt mich in den jeep.

mein ali baba buckelt vor der obrigkeit – ein letzter scheeler blick auf meine uhr.

nun brauche ich französisch und die ersten brocken versteht jeder, der französisch in den gassen der pariser slums gelernt hat: „putain“ „merde“ „baise toi“, na gut, wenn man so polizist werden kann, auch nicht schlecht. langsam wird es mir ungemütlich und das gefängnis will ich eigentlich doch nicht mehr von innen sehen, auch auf eine außenansicht könne ich verzichten. nun versuche ich etwas konversation zu treiben und verfluche die lehrbücher, die niemals einen deutschen auf dem weg zum gefängnis zum gegenstand haben.

warum eigentlich nicht, wäre jedenfalls spannender als diese tollen situationen

im café montmatre: tout tres chic… oh je.

die fahrt ist schnell zu ende, kein gefängnis denke ich mir, denn wir erreichen die ziegenschüssel, die friedlich im hafen schaukelt, drei polizisten springen ab, brüllen mich an und ich denke schon, jetzt werde ich auf diesem kutter kaltgemacht.

wie oft muss ich mich wohl noch auf der straße von gibraltar sehen mit aufgeschlitztem bauch, drei carabinieri lächeln mir hinterher, zwischen ihren visagen gurgelt mein ali baba hervor und hofft, dass meine uhr wasserdicht und die strömung ihm wohlgesonnen sei.

jetzt könnte ich schreien, doch mir fällt nur ein, wie man die rechnung auf französisch herbeiruft und ein paar der netten schimpfwörter, egal, zum brüllen komme ich nicht,

denn aus dem schiffsrumpf ein erneuter brüller.

kein polizist dieses mal (scheint es mir), andere uniform, brüllt aber lauter als seine freunde von der polizei. er will meinen pass und ist außer sich vor wut.

er verschwindet damit,

nun bin ich gar nicht mehr,

denn das einzige indiz meiner identität läuft nun davon.

er kommt zurück, hat eine kiste unterm arm. pistolen, dolche, ein kissen? damit man den krach dämpfen kann, wenn ein kopfschuss meine schläfen durchbohrt.

die kiste rumst auf den tresen. heraus kommt ein stempel, stempelkissen, papiere, krimskrams. knall und schon bin ich wieder auf der welt, selbst in marokko, alles hat seine ordnung und ich meinen stempel.

die illegalität hat ihr ende, meine geduld auch, jetzt hätt ich gern ein kilo haschisch, aber ich versuche schnell mein ticket nach gibraltar umzutauschen. meine geplanten drei tage afrika möchte ich verkürzen. gibraltar ginge nicht, aber nach algeciras wäre es möglich. ob spanien, ob großbritannien, hauptsache weg von hier. einen vorteil hätte es ohnehin, denn weder die britin noch die affen könnten sich so lustig machen.

abreise? nicht aber ohne abschied zu nehmen von meinem schatten, der aus dem nichts außerhalb des hafengeländes auftaucht und nun nur noch das fleischerhemd einfordert.

liebe ideale leser, wenn sie einst wie ich, die lust verspüren, ihrer reiselust zu fröhnen, um marokkanischen boden unter den füßen zu spüren, halten sie ausschau nach einem blau-weiß-gestreiften fleischerhemd. das war mal meins.